Raumfüllender 60s-Pop.
Über mehrere Jahrzehnte diente Verner Pantons psychedelisch anmutender Raum als Kantine für die Redakteure des SPIEGEL-Magazins. Heute ist der ehemalige Speisesaal eine begehbare Stilikone. Wir nehmen Sie mit auf eine Zeitreise.
Grell-Orange, Knallgelb, Violett und Rot – überall Kreise und Punkte. Dieser Raum verlangt seinem Besucher einiges ab. Psychedelisch anmutend und ziemlich schrill für einen Speisesaal. Mehr als vierzig Jahre lang aßen und debattierten darin die Redakteure des SPIEGEL-Magazins. In Formensprache und Farbauswahl gibt der Raum Zeitgeist, Geschmack und Mode der späten 1960er Jahre wieder – auffallend poppig, damals innovativ und bis heute ein einzigartiges Raumerlebnis bietend.
Entworfen hat den Saal der Däne Verner Panton. 1969 wird er damit beauftragt, das gesamte Interieur des neubezogenen SPIEGEL-Verlagshauses an der Brandstwiete zu gestalten. Da das Gebäude, ein Entwurf des Hamburger Architekten Werner Kallmorgen, baulich nicht verändert werden darf, konzentriert sich alles auf eine höchst individuell ausgearbeitete Inneneinrichtung – ausgeführt durch einen der bedeutendsten Designer der Generation Pop.
Panton schafft für das renommierte Nachrichten-Magazin eine Lobby, den Raum für die Redaktionskonferenzen, entwirft das Farbkonzept für die Flure des Verwaltungshochhauses, einen kunterbunten Swimmingpool im Keller (der bereits kurz nach Fertigstellung einem Brand zum Opfer fällt) und eben die Kantine mit drei Räumen und einer Snackbar. Es sind Arbeitslandschaften in satten Farben und geometrischen Formen. Bis auf die Möblierung, bei der Panton vertraglich dazu verpflichtet ist, Produkte der Firma Knoll International zu verwenden, nutzt er ausschließlich eigene Entwürfe. Textilien, Wand- und Deckenverkleidungen sind ebenso wie die Leuchten aufeinander abgestimmt und schaffen als wiederkehrende Elemente die Verbindung zwischen den einzelnen Räumen. Zum wichtigsten Gestaltungselement wird hier einmal mehr die Farbe, die wesentlich zur typisch Panton'schen Verschmelzung der Raumdimension beiträgt.
Wegen ihrer Sechziger-Jahre-Anmutung fällt das gesamte Konzept jedoch recht bald aus der Mode und vor allem in den 80er und 90er Jahren werden einzelne Stücke sukzessive verkauft – aus dem gesamten Ensemble sind am Ende einzig der orangefarbene Speisesaal und die Snackbar erhalten geblieben. Seit 1998 stehen sie unter Denkmalschutz. Als 2011 der SPIEGEL ein neues Verlagsgebäude in der Hafencity bezieht, gehen der Speisesaal und die Snackbar als Schenkung an das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG). Der letzte vollständig erhaltene Raum des Panton’schen Konzepts ist dort für die Öffentlichkeit begehbar und kann für Veranstaltungen gebucht werden. Der Raum ist ein bedeutendes und nachhaltiges Zeitdokument, eine begehbare Stilikone, die zu besuchen sich immer lohnt, wenn Sie gerade in Hamburg oder Umgebung sind.
MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE HAMBURG
Steintorplatz
20099 Hamburg
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr (donnerstags: 10-21 Uhr)